Donnerstag, 17. November 2011

Interview: ANNA ALIENA




Anna Aliena, ehemals Sängerin von ShirayasDream, veröffentlicht am 25. November ihre erste Solo-EP. Kurz vor deren Veröffentlichung stand mir die Künstlerin, die keine Grenzen kennt, Rede und Antwort und teilte mit mir ihre sehr persönliche Sicht über Außenseiter-Dasein, Musikbusiness, Internet und ihr neu gegründetes Musik-Label Go!Diva Records. Und es zeigt sich immer mehr dass mit Anna Aliena eine Künstlerin am Werk ist, die nicht nur neue Wege beschreitet sondern auch mit ihrer Kunst und ihrer Direktheit polarisiert.


Seit deiner Trennung von ShirayasDream machst du alles alleine: Du schreibst, komponierst, singst und produzierst deine Songs ohne Hilfe. Woher nimmst du die Kraft?

Aus mir selbst. Auch wenn ich äußerlich eher reserviert wirke, brodelt es in meinem Innern. Und daraus schöpfe ich.
Auch das Cover-Artwork deiner kommenden EP ist ein Gemälde von dir. Neben der Musik eine zusätzliche künstlerische Ausdrucksform die du weiter verfolgen wirst?

Ja, die Malerei finde ich sehr entspannend und es ist ja nicht unbedingt üblich, dass Musiker ihre Werke auch selbst illustrieren. Auf mich haben Farben schon immer einen besonderen Reiz ausgeübt. In Zukunft werde ich übrigens nur noch Mini-Alben wie „Silly Little Boys“ veröffentlichen – mit selbst gemaltem Cover! Das Nachfolge-Werk wird „Cinderella“ heißen. Das steht schon mal fest!
Was inspiriert dich?

Die mehr oder weniger glücklichen Lieben meines Lebens - ob real oder in der Fantasie. Beziehungskisten eignen sich wunderbar als Inspirationsquelle. Bewerbungen für die Rolle meiner Muse werden allerdings seit Neuestem nicht mehr angenommen, vielleicht gar nicht mehr ... Was die instrumentalen Parts betrifft, lasse ich mich von den Sounds inspirieren, die mir zur Verfügung stehen.
Erzähle uns etwas über die Songs deiner EP „Silly Little Boys“. Inwieweit verarbeitest du reale Erlebnisse in deiner Musik?

Im ersten Song „Goodbye, Goddess of the Moon“ nehme ich Abschied von ShirayasDream – auch eine Beziehungskiste, obwohl sie nur musikalisch und auf der persönlichen Ebene rein platonisch war. Die wahre Muse im Entstehungsprozess von „Silly Little Boys“ war jedoch ein anderer – nennen wir ihn an dieser Stelle einfach Dorian Gray wie die Romanfigur von Oscar Wilde. Er ist der „Teufel mit Engelsgesicht“, dessen „Numbergirl“ ich eine Zeitlang gespielt habe, nur um ihn für mein künstlerisches Schaffen wie eine Besessene auszusaugen. Vielen lieben Dank dafür, schöner Dorian!
Du bist Begründerin des Alien-Pop. Siehst du dich künstlerisch, aber auch ganz persönlich als „Alien“, also als Außenseiterin in der Gesellschaft?
Von welcher Gesellschaft ist die Rede – von der Gesellschaft im Allgemeinen oder einer bestimmten Sparte der Gesellschaft? In der Schule war ich immer Außenseiterin und muss zugeben, dass ich bis heute stolz darauf bin! Auch darauf, dass mich die marode deutsche Musikszene mit ihrem ewig gestrigen Müll nicht wirklich anerkennen will, denn was für Innovationen kommen schon aus diesem Land? Alle großen deutschen Künstler haben ihre Heimat irgendwann verlassen und es kann gut sein, dass ich es eines Tages auch tun werde.
Du bist klassisch ausgebildete Mezzosopranistin. Hast du schon einmal über ein rein klassisches Programm nachgedacht?

Ich habe bereits bei mehreren Anlässen rein klassisch gesungen. Sehr viele Opernarien, vor allem aus dem zu mir passenden dramatischen Fach, sprudeln vor Leidenschaft, so dass ich mich emotional richtig austoben kann. Warum also nicht? Ich habe auch schon darüber nachgedacht, Neo-Klassik im orchestralen Stil zu komponieren. Schritt für Schritt werde ich diese Ideen auch umsetzen.
Du hast mit Go!Diva Records ein eigenes Label gegründet. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen?

Meine künstlerische Freiheit schätze ich sehr. Ja, meine Ideen haben den Drang, nach meinen Vorstellungen realisiert zu werden und wahrscheinlich gelingt mir das erst einmal am besten unter meinem eigenen Label.
Das Internet hat vieles im Musikbusiness verändert. Einerseits werden die vielen illegalen Downloads beklagt, andererseits ist es aber gerade durch Social Media Plattformen wie facebook, twitter oder youtube möglich, ohne großen finanziellen Aufwand an potenzielles Publikum zu kommen. Was ist deine Sicht der Dinge? Welche Chancen aber auch welche Gefahren liegen in diesen Medien?

Natürlich nutze ich solche Medien für Marketing-Zwecke und sie haben mir schon den einen oder anderen Fan beschert. Häufig kommt es aber auch vor, dass gewisse Gestalten meinen, sie müssten mich mit Themen unterhalb der Gürtellinie beballern. Wer das tut, fliegt sofort aus meinen Kontakten. Ich möchte gar nicht so genau wissen, wer heimlich welche Dinge mit meinen hammergeilen Fotos anstellt! ;-) Nun bin ich aber keine pubertierende Göre mehr, die Gefahr läuft, im Internet einem Sittenstrolch in die Hände zu fallen. Die weitaus größere Gefahr sehe ich für mich in den illegalen Downloads. Als Musiker arbeitet man schließlich stundenlang an seinen Werken und ich finde, dass man für all die Mühen und Ideen gerecht bezahlt werden sollte!
Aus aktuellem Anlass: Inwieweit hat man als KünstlerIn eine soziale Verantwortung?

Egal, wie bekannt oder unbekannt ein Künstler ist - es gibt immer wieder Menschen, die dich als Vorbild wahrnehmen. Also ist genau darauf zu achten, welche Aussagen man macht, denn man nimmt ja automatisch eine öffentliche Rolle ein. Ich finde es zum Beispiel verwerflich, wenn Musiker in ihren Songs Gewalt verherrlichen.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Neue Songs für die nächste EP "Cinderella" schreiben, im August 2012 bei einem Festival in Italien auftreten, noch mehr Auftritte im In- und Ausland an Land ziehen, meine Muse küssen und so weiter. Wer weiß schon genau, was die Zukunft letzten Endes bringen wird ...


Freitag, 15. Juli 2011

CD Review: ISABEL DÖRFLER - Leben!



Musik schafft Erinnerungen. Als Kind. Als Jugendlicher. Als Erwachsener. Das Lied das man gehört hat, als man seine erste Liebe zum ersten Mal gesehen hat. Der Sommerhit, als man ihn/sie zum ersten Mal traf oder auch das Lied dass im Radio lief, als man erfahren hat, als es wieder zu Ende war. Manchmal will man diese musikalischen Erinnerungen einfach an sich binden. Die Gefühle festhalten und nicht mehr loslassen. Und manchmal wünscht man sich das auch nach dem ersten Hören einer CD, ganz unabhängig von solchen persönlichen Ereignissen.

So wird es sicher Vielen mit dem ersten Soloalbum „Leben!“ von Isabel Dörfler ergehen. Die vor allem aus Musicals wie 42ND STREET, CABARET oder zuletzt auch DIE PÄPSTIN bekannte Sängerin und Schauspielerin begeistert mit einem Album voll (vorwiegend von Adrian Werum) kammermusikalisch arrangierter Pop-Chanson Perlen. Schon der erste Titel „Mein Weg ist mein Weg“ von Klaus Hoffmann zeigt die Richtung in die Isabel Dörfler mit uns geht: gefühlvolle, sehr intime Interpretationen von bekannten aber auch einigen unbekannten Liedern, die oft für Überraschungen sorgen. So folgt gleich darauf mit „Für mich solls rote Rosen regnen“ eine sehr eigenständige Version des wohl bekanntesten Chansons von Hildegard Knef und mit „Über den Wolken“ von Reinhard Mey mit dem sparsamen Einsatz von Schlagzeug und Violine eine frische Sicht auf ein Lied, das viele deutschsprachige Singer/Songwriter beeinflusst hat. „Halt mich“ von Herbert Grönemeyer wird in der reduzierten Version von Isabel Dörfler zu einem der Höhepunkte des Albums. Auch wenn das Diskussionen auslösen wird: sie übertrifft sogar das Original. „Rette mich“ von Tokio Hotel und „Sag es laut“ von Xavier Naidoo sind zwei Songs, die auf den ersten Blick etwas verwundern, aber perfekt in das Konzept des Albums passen. Immerhin ist das Thema nicht nur „Leben“ sondern vor allem auch „Liebe“. Womit wir beim zweiten Höhepunkt wären. „Liebe ist“ von Nena. Als Duettpartner holte sich Dörfler dafür Arne Stephan. Nur zu verhaltenen Klavierklängen entfaltet dieses Lied eine Magie, die man so nur selten auf CD einfangen kann. Wenn es um „Liebe“ geht, darf natürlich ein Song nicht fehlen: „Die Rose“, bekannt geworden durch Bette Midler. Zum Abschluss beweist Dörfler mit „Was wichtig ist“ welche Kraft in Udo Jürgens Songs steckt wenn man sich ihnen ernsthaft nähert und nicht mit rosaroten Zuckerguss überschüttet.
Nicht unerwähnt soll auch bleiben, dass Isabel Dörfler bei den Liedern „Lass mich leben“ und „Näher“ selbst für die deutschen Texte verantwortlich ist. So wird das komplette Album zu einem persönlichen Plädoyer für die Liebe, trotz allen Aufs und Abs im Leben.

Isabel Dörfler weckt mit „Leben!“ Gefühle. Musikgewordene Gefühle. Wenn wir dieses Album in zehn Jahren in den CD-Player legen, an welchen Moment, an welche Liebe werden wir uns dann erinnern?

 

Sonntag, 19. Juni 2011

CD Review: KIRLIAN CAMERA - Ghlóir Ar An Oíche



Nach zwei "Best of" Sammlungen kommen Fans der italienischen Kultformation KIRLIAN CAMERA mit der Single "Ghlóir Ar An Oíche" (gälisch für: Ruhm der Nacht) endlich in den Genuss von neuem Material. Und das Warten hat sich gelohnt, wenn auch die Freude nur vier Titel lang dauert.

Schon in den Pressemitteilungen wurde der Song "Nightglory" als die Essenz all dessen, was KIRLIAN CAMERA ausmacht bezeichnet. Diese Beschreibung ist nicht zu hoch gegriffen. Ein treibender Beat, Sequencer-Spielereien, gezielt eingesetzte E-Gitarren und metaphorische Lyrics steigern sich zu einer typischen KIRLIAN CAMERA Hymne, die schon bald neben Klassikern wie "Eclipse"oder "Ascension" stehen wird. Das ist natürlich auch der Verdienst von Sängerin Elena Alice Fossi, die gerade in den letzten zehn Jahren KIRLIAN CAMERA stark geprägt hat.
"Nightglory" ist aber in der "Camera Version" auch als kammermusikalische Interpretation zu hören. Weg von der Tanzfläche und hin zu schwelgerischen Tönen. Dabei zeigt sich die Stärke von KC, nicht einfach nur oberflächliche Songs zu komponieren.
Mit "After Winter 2011" ist eine Neuaufnahme eines Stückes aus dem Jahr 1998 vertreten. Ein eher experimentellerer elektronischer Song mit dem hypnotischen Sprechgesang von KC-Kopf Angelo Bergamini und ein guter Kontrast zu "Nightglory".
Zu guter Letzt ist noch die instrumentale Version von "I gave you Wings - I gave you Death", einem Song vom kommenden Album, zu hören. Man darf gespannt sein, wie dieser Track mit Gesang wirken wird.

Wenn das nur ein kleiner Appetithappen ist, dann ist Eines sicher: uns steht etwas Großes bevor.


Dienstag, 12. April 2011

CD Review: MERCIFUL NUNS - Hypogeum II




"Before the Beginning, there was a Future..."


Nach dem Debüt-Album "Lib. 1" und der EP "Body of Light" liegt nun mit "Hypogeum II" der zweite Longplayer der MERCIFUL NUNS vor. Völlig unberührt von Trends und Anbiederung an den Hörer geht Artaud Seth, seines Zeichens Kopf der MERCIFUL NUNS, seinen musikalischen Weg weiter. Traditioneller Goth Rock, produktionstechnisch auf der Höhe der Zeit könnte man das Ergebnis nennen. Aber dies würde das musikalische Schaffen der NUNS nur unzureichend beschreiben. Viel mehr geht es darum, den Geist des Goth Rock der 80er und frühen 90er in unsere heutige Zeit zu retten. Nicht nur musikalisch, sondern auch textlich sich wieder an die Ursprünge der Gothic Kultur zu besinnen. Und so stehen natürlich auch bei "Hypogeum II" mythologische Themen im Vordergrund. Waren es bei "Lib. 1" okkulte Philosophien beruhend auf z.B. Aleister Crowley, sind es dieses Mal Megalithkulturen (daher auch der Titel "Hypogeum").


Woher kommen wir? Seit wann sind wir auf dieser Erde? Gibt es gar Götter aus dem Weltall?
All diese Fragen und noch mehr erwartet die Hörer. Schon der Opener "The Portal" führt mit mystischen Klängen in ein Album, dass vielfach mit großen Hymnen aufwarten kann bei denen vor allem "Sacrosanct Hill" heraussticht. Der über neun Minuten lange Titeltrack "Hypogeum II" ist klassischer Goth Rock in seiner reinsten Form und dürfte vor allem auch bei Anhängern der SISTERS OF MERCY Gefallen finden.
"Evolution" zieht das Tempo wieder etwas an und mit "Sanctuary" hat Artaud sicher den besten Song des Albums geschaffen: dunkel und nicht zu langsam. "Civilisation One" hingegen ist wieder etwas verklärter und besticht durch ausladende Flächen und der finale Track "Megalithic Dreams" beschließt das Album wieder hymnisch und lässt einen gedanklich ins Weltall reisen.
All das immer wieder mit Samples und Soundeffekten durchzogen, die die Stimmung noch mehr unterstreichen und dieses Album zu einem wahren Hörerlebnis werden lassen.


Natürlich ist dieses Album, wie auch schon sein Vorgänger, nichts für die moderne Spassgesellschaft. Es lädt ein sich mit den Texten und den zugrunde liegenden Themen auseinanderzusetzen. Aber neben der musikalischen Mission ist das sicher auch eine weitere Intention der MERCIFUL NUNS.


"Nothing is real in this astral Place..."

Dienstag, 22. März 2011

CD Review: IAMX - Volatile Times


Die Veröffentlichung eines neuen Albums von IAMX ist immer ein Ereignis, dass gespannt erwartet wird. Eigentlich müsste man auch beim nun schon vierten Longplayer VOLATILE TIMES begeistert sein. Eigentlich, denn es geht nun mal um IAMX und hier liegt die Latte etwas höher als bei vielen anderen Bands. Chris Corner hat mit THE ALTERNATIVE eines der herausragendsten Alben der alternativen Musikszene geschaffen und jeder folgende Output muss sich unweigerlich mit diesem Meisterwerk messen.

Schön verpackt in einem kleinen Hardcover-Buch kommt die CD recht ansprechend daher und bietet mit dem ersten Track "I Salute You Christopher" eine Hommage an den Publizisten und bekennenden Atheisten Christopher Hitchens. Ruhig mit Vocoder-Einsatz und einer getragenen Melodie leitet der Song stimmungsvoll der Album ein.
Im Gegensatz dann dazu gleich anschließend "Music People", eine Abrechnung mit dem Musikbusiness. Noch relativ ruhig beginnend endet es immer schneller werdend und atonal fast schon mit Noise-Anleihen und dürfte sicher auch auf der einen oder anderen Tanzfläche Leute in Ekstase treiben. 
Der Titeltrack "Volatile Times" ist für IAMX ungewöhnlich aggressiv aber auch bezeichnend für das Album. Manchmal beschleicht einen das Gefühl als wäre Chris Corner auf halben Wege stehengeblieben, als würde er nur die bekannten IAMX-Zutaten neu mischen, ein kleines Gewürz zusätzlich hineinstreuen und schon kommt ein neuer Song heraus. Ähnliches dann auch bei "Fire And Whispers", sicher einer der besten Songs auf diesem Album. Textlich autobiographisch ist er musikalisch typisch IAMX. Hier passt einfach alles - sicher einer der zukünftigen Klassiker der Band.
"Dance with me" ist hingegen wieder ruhiger. Eine atmosphärische Ballade, die allerdings etwas experimentell daherkommt und seine Wirkung auf den Hörer nicht verfehlt, vorausgesetzt man hat offene Ohren dafür und lässt sich auch auf die bedrückende Stimmung am Ende ein. Sind das wirklich Bomben, die hier am Ende zu hören sind?
Mit "Bernadette" frönt Chris Corner wieder seinem Faible für Jahrmarktsklänge wie man sie auch schon von "President" gewohnt ist. Doch dieses Mal geht er noch einen Schritt weiter und es ist sogar eine singende Säge zu hören. Sicherlich ungewöhnlich, aber allemal eine interessante Facette von IAMX.
Das Video "Ghosts Of Utopia" löste schon im Vorfeld mit seinen symbolhaften Bildern in Verbindung mit arabischen Schriftzeichen und sogar Hakenkreuzen Diskussionen aus. Genauso geheimnisvoll, fast schon hypnotisch die musikalische Umsetzung. Vor allem im Refrain entwickelt der Song eine orchestrale Dimension. 
"Commanded By Voices" hinterlässt leider trotz des Einsatzes eines (kleinen) Chors einen unbefriedigenden Eindruck. Zwar überzeugt Chris Corner textlich mit einem gewissen Mass an Selbstironie, aber leider bleibt die musikalische Seite dabei etwas vernachlässigt. Zu schleppend und uninspiriert kommt der Song daher.
Mit "Into Asylum" und "Cold Red Light" ist das Album dort angelangt, wo man es sich durchgehend gerne gewünscht hätte. Etwas vertrackt mit dem gewissen Schuss an alternativen Musikgefühl überzeugt gerade das letztgenannte auf allen Ebenen. Hier bemerkt man das wahre Genie von Chris Corner.
"Oh Beautiful Town" beschliesst den Reigen an Höhen und Tiefen des Albums wieder wie es begonnen hat: ruhig, aber diesmal sehr persönlich und mit einer Prise Bombast.

Nach rund 50 Minuten bleibt ein schales Gefühl zurück. Liegt es vielleicht daran, dass Chris Corner fast alles selbst macht? Von der Musik und den Texten, bis zu den Instrumenten und der Produktion, ja sogar das Konzept vom Coverartwork stammt von ihm.
Schlecht ist das Album keineswegs, aber es fehlt der Blick von außen, es fehlen neue Impulse. Und die neuen Impulse, die durchaus vorhanden sind gehören besser herausgearbeitet. 
Und so kann nur nochmals gesagt werden, was am Anfang schon erwähnt wurde: Wäre es nicht IAMX würde man diesem Album wohl beste Noten geben. Aber die Messlatte liegt hoch, sehr hoch.

Sonntag, 13. März 2011

Vom Zauber des Fernsehens

"...und dann wählen sie einen uneingeweihten Zuschauer aus."


Aus aktuellem Anlass heute ein Artikel aus dem Jahre 2009.





Der Herbst 2009 war voll von zauberhaften Momenten im Fernsehen. Zauberhaft? Das wird nicht jeder so sehen, denn wie so oft bei diesen Fernsehereignissen wurden unsere TV-Kollegen nicht nur von der allgemeinen Presse, sondern auch innerhalb der Zauberszene teils heftig kritisiert. Jetzt könnte man vorbringen, dass hier auch manchmal etwas Neid mitspielt. So etwas soll ja gerade in unseren Reihen nichts seltenes sein. Doch auch wenn sich eine vor Neid wild gewordene Meute Zauberkünstler medial gut aufbereiten lassen würde, kam es noch nicht dazu. Also kann es vielleicht doch an der Qualität des TV-Formates liegen? Durchaus möglich, wobei man es sich mit dieser Erklärung zu einfach macht. Doch betrachten wir das gleich anhand zweier Beispiele.

Im September und Oktober wurde das österreichische Publikum mit MANUEL HORETH – DER MENTALIST konfrontiert. Doch schon beim Konzept der Sendung stellt sich die Frage, ob die Zauberkunst, oder hier im speziellen die Mentalkunst, überhaupt geplant im Mittelpunkt stehen sollte. Denn neben den obligaten Stargästen, führte eine junge Moderatorin durch die sechs 45minütigen Sendungen. Traute man Horeth nicht zu, als Persönlichkeit interessant genug zu sein, um die Zuschauer 45 Minuten lang vor dem TV-Gerät zu halten? Oder liegt es doch eher an der kühlen Berechnung des Senders, dass auch die männlichen Zuseher „etwas zum Sehen haben sollten“? Wenn das letztere der Fall ist, dann würden wir nicht nur in alte Zauberzeiten zurückfallen, in denen Assistentinnen oft nur als „Aufputz“ einer Show missbraucht wurden, sondern man könnte es ohne Umschweife als sexistisch einstufen. Harte Worte? Ich finde nicht. Denn wer sich mit einem Massenmedium einlässt, der muss auch damit rechnen heftig kritisiert zu werden. Man ist nicht mehr der „kleine Künstler“ der im Theater nebenan seine persönliche Vision von Zauberkunst zeigt. Vielmehr wird jede Handlung in der Sendung, sogar jeder Satz, den man in einem Interview sagt zum Allgemeingut „für die Leute da draußen“.
Fast zeitgleich zu Horeth konnte man auf Channel 4 THE EVENTS von Derren Brown sehen. Beide zu vergleichen wäre nicht fair. Derren Brown hat über Jahre intensiv an seiner Persönlichkeit gearbeitet und ist ein Entertainer im besten Sinne. Doch auch er dürfte seinen TV-Zenit mit den vergangenen Shows überschritten haben, soweit man den kritischen Beobachtern glauben mag. Er ist in eine Falle getappt, aus der er nur noch schwer herauskommen wird. Was soll ein Mann, der Manager dazu gebracht hat, eine Bank zu überfallen, eine Person dazu gebracht hat, ihren eigenen Tod zu erleben oder Atheisten den Glauben an Gott gegeben hat, noch alles machen? Kann man all diese Ideen noch toppen? Genau das ist zu einem Problem für Brown geworden. Die einzige Möglichkeit war, zurück zu klassischen Themen des Mentalismus zu gehen und dramaturgisch mit dem Medium TV zu spielen. Als Auftakt sagte er live die Lotto-Zahlen vorher. Was schon hunderte Kollegen vor im als Publicity Stunt machten, geriet bei ihm zum großen Medienereignis noch lange bevor überhaupt die Kamera auf ihn gerichtet war. Doch nicht an diesem zumindest vom Thema her „alten“ Kunststück (und damit will ich keinesfalls seine Vorführung herab werten), sondern das Finale dieser vierteiligen Reihe zeigte deutlich die erwähnte Falle. Derren Brown setzte in einem Casino auf eine Zahl, lag eins daneben und verlor daher den kompletten Geldbetrag. Derren hatte aus dramaturgischer Sicht keine andere Möglichkeit, als zu verlieren, zwar nur knapp, aber trotzdem verloren. Hätte er gewonnen, wäre das die Situation gewesen, die alle Zuschauer erwartet haben. Ihm ist keine andere Wahl als ein Misserfolg geblieben. In diesem Fall hat aber nicht die Zauberkunst den Ton angegeben, sondern das Medium Fernsehen hat den Ausgang dieser Derren Brown Staffel diktiert.

Doch welcher Sinn steckt jetzt hinter der kurzen Analyse dieser zwei Künstler? Sie führt mich zu einem allgemeinen Problem von Zauberkunst im TV, das den Produzenten durchaus bekannt ist. Das Problem liegt nämlich nicht ausschließlich an den Künstlern, sondern am Medium selbst. Wie geht man mit einem Medium um, das an sich schon mit Illusionen spielt? Sowohl Derren Brown, als auch Manuel Horeth wurden mit dem Vorwurf, sie arbeiten mit Kameratricks und eingeweihten Zuschauern, konfrontiert. Sobald der Zuschauer zu Hause vor dem Bildschirm nur eine dieser beiden Lösungen vermutet, ist der Zauber zu ende. Da kann das Kunststück noch so durchdacht und mit undurchschaubaren Techniken in Szene gesetzt werden, für die Zuschauer ist die Sache erledigt. Soll man die reine Tricktechnik offenlegen, nur um zu beweisen, dass es kein Kameratrick und keine eingeweihten Zuschauer waren? Immer wieder in der Sendung zu betonen, dass man sich nicht kennt und nichts abgesprochen ist, weckt zusätzlich noch mehr Misstrauen. Vielleicht sollten Consulter diverser Zaubersendungen anstatt sich mit spektakulären Kunststücken, lieber mit diesem Problem auseinandersetzen.
(Kleine Anmerkung am Rande: Es stimmt schon bedenklich und auch traurig, dass gerade jemand, der solche Ausnahmekünstler wie Johnny Thompson, Luke Jermay und Banachek als Berater hat, trotzdem zu einem Großteil nur auf die beiden Methoden „Kameratricks“ und „eingeweihte Helfer“ zurückgreift. Die Rede ist von niemand Geringerem als „Zaubersuperstar“ Criss Angel. Ist das Design einer Sendung also wirklich der ausschlaggebende Grund für seinen Erfolg?)

Mir ist klar, dass es in der Vergangenheit immer wieder herausragende TV-Leistungen von Kollegen gegeben hat. Paul Daniels ist nicht ganz unabhängig durch seine Fernsehauftritte zur Legende geworden, ähnliches gilt für David Copperfield. Die wahre Frage aber ist: Wird sich die Zauberkunst auch in Zukunft im Fernsehen behaupten können? Vielleicht sollte einer unserer TV-Mentalisten einen Blick in die Zukunft wagen. Das wäre in der Tat spannend.

(erschienen in magischeWelt 6/2009)


Donnerstag, 10. März 2011

Konzert Review: IAMX Fire and Whispers Tour 2011




10.3.2011 um 20:15: Der Wiener Gasometer ist noch nicht zu Gänze gefüllt als NOBLESSE OBLIGE die Bühne betreten. Es wird theatralisch und auch ungewöhnlich. Auch wenn das Duo bei einigen Besuchern verständnislose Blicke hervorruft, so wird es vom Publikum herzlich angenommen. Die Mischung aus Electro-Wave Sound mit Ethno-Einflüssen ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack, kann aber gerade durch die exaltierte Performance der Sängerin Valerie Renay überzeugen. Wie eine Voodoo-Priesterin hält sie mit jedem Song kleine Zeremonien auf der Bühne ab. Da überhört man gerne auch mal die eine oder andere Intonations-Schwäche. Immerhin schlägt sie selbst in die Trommeln oder spielt Kastagnetten, während ihr Partner Sebastian Lee Philipp in erster Linie zur Gitarre, aber auch zur Ukulele greift. Diese hypnotische Performance ist nichts für die breite Masse, aber eine Entdeckung wert.


by Nickie McGowan


Um ca. 21:20 stürmt dann endlich Ex-SNEAKER PIMPS Frontman Chris Corner mit seiner dreiköpfigen Band unter viel Jubel die Bühne. Und stürmen ist hier wörtlich gemeint. Wie ein Orkan bringt er die nun gut gefüllte Halle in Bewegung. Kein Fuss bleibt still, eine einzige in Bewgung befindliche Masse entsteht. Und das bleibt auch bis zum Ende so. Wie gewohnt im extravaganten Outfit führt der Sänger durch 90 Minuten geballte Musikpower. Wobei Sänger ist hier nicht die richtige Bezeichnung, denn neben Singen schlägt er selbst auch ins Schlagzeug, spielt Gitarre, Synthesizer und Keyboard. Totale Hingabe an seine Musik könnte man das nennen. Trotzdem vergisst er nie die Nähe zum Publikum und ist in jeder Minute das, was so viele Superstars gerne währen: ein echter Rockstar. Exzentrisch mit fast schon beängstigender Bühnenpräsenz aber musikalisch hochprofessionell, das ist die Kunstfigur IAMX. Trotz aller Exzentrik steht immer die Musik im Mittelpunkt und wird nie außer Acht gelassen.
Natürlich fehlt auch keiner der großen Hits. "President", "Tear Garden", "This will make you love again", "Kiss and Swallow" und viele andere sind kraftvoll in ausladenden, teilweise fast schon epischen Arrangements zu hören. Aber auch neue Songs wie "Fire and Whispers" und "Ghosts of Utopia" werden vorgestellt und vom Publikum heftig bejubelt.
Und so geht auch einmal dieses Konzert viel zu schnell zu Ende und man kann es sicher als eines der Konzerthighlights 2011 betrachten.


Noblesse Oblige Website

IAMX Website

Donnerstag, 24. Februar 2011

AMANDA F*CKING PALMER oder: Revolution mal anders

Manchmal werden Revolutionen von Künstlern losgetreten, zumindest im Musikbusiness.
Amanda Palmer, sowohl Solo, als auch mit dem Punk-Cabaret Duo THE DRESDEN DOLLS unterwegs, war schon länger mit ihrem Label Roadrunner Records nicht mehr zufrieden. Ihr Image sollte zwanghaft verändert werden. Zusätzlich fühlte sie sich aber auch von ihrem Label alleingelassen. Doch wie es so oft in diesem Business ist, war auch sie an Verträge gebunden, aus denen man nur schwer aussteigen kann.
Also weitermachen wie bisher? Dies hat schon Bands wie ROSENSTOLZ zwar Erfolg, aber auch einen künstlerischen Absturz gebracht. Nicht so bei Amanda Palmer. Sie kämpft dagegen an. So wie sie es am besten kann: pointiert, ironisch, künstlerisch... und widmet bei ihren Konzerten ein Lied ihrem Label.





Erst im Frühjahr 2010 ist das fast Unmögliche passiert: Amanda Palmer kann aus ihrem Vertrag aussteigen und ist seitdem labellos. Eine freie Künstlerin - so wie sie begonnen hat.
Ihre Freude darüber kann sie nicht verbergen und so nimmt sie spontan den Song "Do You Swear To Tell The Truth The Whole Truth And Nothing But The Truth So Help Your Black Ass" auf und bietet ihn zum kostenlosen Download an. Etwas was ihr ihr Label bisher verboten hat.
Seitdem ist ihre Kreativität ungezügelt. Sie nimmt ein Album mit Songs von Radiohead auf, allerdings interpretiert auf der Ukulele. Sie entdeckt gemeinsam mit Jason Webley die Siamesischen Zwillinge EVELYN EVELYN, oder spielt in dem Musical CABARET den Conférencier.


Doch worin liegt jetzt die Revolution? Eine Künstlerin gewinnt gegenüber einem Major-Label und führt vielen ihrer KollegInnen vor Augen, dass langfristig nur Kreativität, Qualität und genügend Live-Präsenz das Überleben von Musikern in der Zeit von illegalen Downloads sichert.
So bietet sie ihre aktuellen Alben als Download selten über einen Dollar an. Aber sie geht noch einen Schritt weiter: Der komplette Backkatalog von ihrem Soloprojekt und THE DRESDEN DOLLS kann sich jeder Interessierte kostenlos und legal auf ihrer Bandcamp Seite herunterladen. 
Ein Schritt, der sicher nicht von jedem nachvollziehbar ist, aber wohl eine richtige Reaktion auf die Zeichen der Zeit.


Es lebe das Punk-Cabaret!

Mittwoch, 23. Februar 2011

BEKENNTNISSE - Kunst ist Provokation

Zum Start meines Blogs will ich hier einen Artikel wiedergeben, der 2009 in der Zauberfachzeitschrift magischeWelt erschienen ist. Er war mein Versuch meine Sicht auf die Zauberkunst, aber auch auf die Kunst im Allgemeinen zu Papier zu bringen.


Braucht die Zauberkunst überhaupt Provokationen? Dazu müssen wir erst einmal den Begriff „Provokation“ genauer definieren. Hergeleitet wird das Wort vom lateinischen provocare, was so viel wie hervorrufen bedeutet. Wikipedia bietet im Internet eine etwas ausführlichere Begriffserklärung: „Provokation bezeichnet das gezielte Hervorrufen eines Verhaltens oder einer Reaktion bei anderen Personen. Hierbei agiert der Provokateur bewusst oder unbewusst in einer Weise, dass die provozierte Person oder Personengruppe ein tendenziell erwünschtes Verhalten zeigt.“ Insofern hat Peter Grandt vollkommen Recht, wenn er schreibt, dass meine geschilderte Sandburg-Performance „...nur provozieren will,...“ Mit solchen Ideen will ich eine Reaktion hervorrufen und genau das habe ich anscheinend auch geschafft. Und auch dazu, dass diese Szene keine Aussage hat, stehe ich vollkommen. Denn Kunst muss nicht immer eine Aussage vermitteln. Denken wir nur an ein professionell geplantes Feuerwerk. Es ist einfach nur schön anzusehen. Oder als anderes Extrem die Aktionskunst, die oft nur schockiert. So verschieden beide Beispiele sind, so haben sie doch eines gemeinsam: sie transportieren keine Aussage, sondern im Mittelpunkt steht jeweils die Reaktion des Betrachters. Erst der Betrachter ordnet für sich das Gesehene ein und verpasst dem ganzen, wenn notwendig, einen intellektuellen Überbau (bei einem Feuerwerk erübrigt sich dieser „Überbau“ sowieso). Übertragen auf die Zauberkunst müsste das heißen, dass es zwar nicht schadet, wenn man eine Aussage transportiert, sie aber aus rein künstlerischer Sicht nicht notwendig ist. Es gibt viele verschiede Sichtweisen in der Kunst und wieso sollten wir uns gerade in der Zauberkunst einschränken lassen? Abgesehen davon bin ich der Meinung, dass durch das viele Theoretisieren in den letzten Jahren eines oft vergessen wird: der Besuch einer Zaubervorstellung kann auch einfach „nur“ Spass machen. Wenn man einen Drei-Seil-Trick sieht, erfreut man sich daran, fühlt sich unterhalten. Dies benötigt dann nicht zwanghaft irgendeine Aussage. Trotzdem kann das ein unglaublich künstlerischer Akt sein. Drei Seile werden unterschiedlich lang, um dann wieder gleich lang zu werden oder umgekehrt. Punkt. Manchmal ist es so einfach. Hat so ein Kunststück weniger Berechtigung, nur weil es keine Aussage beinhaltet? Natürlich kann auch ein „einfaches“ Seilkunststück z.B. in der geschichtenerzählenden Zauberkunst mit einer bestimmten Aussage verknüpft werden. Aber unbedingt notwendig ist es nicht.
Denn nun kommt für mich einer der wichtigsten Elemente in der Zauberkunst: Ich will die Zuschauer berühren. Ich will eine Reaktion hervorrufen. Je nach Vorführstil kann diese anders aussehen. Ingo Oschmann will unterhalten. Derren Brown macht fassungslos. Alexander Merk bringt seine Zuschauer zum Träumen. Criss Angel polarisiert und ein Konrad Stöckel schockiert vielleicht. Eines ist aber der Tod jeder Kunst: Gleichgültigkeit! Gegen diese sollten wir ankämpfen. Die Leute können mich hassen oder das was ich mache, ablehnen, aber sie dürfen mir nicht gleichgültig gegenüberstehen. Das Problem vieler Zauberdarbietungen ist nämlich oft nicht nur die mangelnde (künstlerische) Qualität, sondern auch, dass viele Zauberkollegen nicht genau wissen, welche Reaktion sie auslösen wollen und wie sie zu dieser kommen. Die Sache wird noch dadurch erschwert, dass keine Tricktechnik, auch keine psychologische, dabei helfen kann. Die wichtigste Methode dabei ist nämlich Empathie, also das Einfühlen in unsere Zuschauer. Diese „Technik“ (falls man sie so nennen will) kann man aus keinem Buch und bei keinem Seminar lernen. Empathie kann man nur direkt im täglichen Umgang mit Menschen lernen, oder besser gesagt trainieren. Also gehen Sie hinaus! Lassen Sie alle Ihre Requisiten, Bücher und DVDs zu Hause liegen und treten sie mit anderen Menschen in Kontakt. Ich weiß, das passiert täglich, doch machen Sie es einmal bewusst. Hören Sie Leuten genau zu, was Sie ihnen zu sagen haben. Jedes auch noch so banale Ereignis hat einen emotionalen Kern. Und wenn Sie es schaffen, diesen für jede Person ganz und gar einzigartigen Kern zu erfassen, dann sind Sie auf dem richtigen Weg, eine der wichtigsten „Techniken“ für die Zauberkunst zu erlernen. Ganz und gar ohne Bücher und DVDs. Empathie ist natürlich keine Erfindung von mir, warum sie aber für die allgemeine Zauberkunst noch nicht in ihrer Gesamtheit erfasst wurde, ist mir ein Rätsel, denn in der Mentalmagie wird sie schon länger als „Technik“ eingesetzt.
Mir ist klar, dass dieser Weg die Zuschauer zu berühren nicht der einfachste ist, denn Einfühlung hat auch viel mit Selbsterfahrung zu tun. Wenn ich mit mir selbst und meinen Gefühlen nicht klar komme, wie will ich dann mit den Gefühlen fremder Personen klar kommen? Überlegen Sie einmal, wie viele Gefühle Ihnen einfallen. Es gibt mehr als Freude und Trauer. Es ist kein Geheimnis, dass in Schauspielschulen die Selbsterfahrung am Beginn jeder Ausbildung steht. Weshalb überspringen wir in der Zauberkunst diesen Schritt?
Was will ich also ganz persönlich mit der Zauberkunst bewirken? Der Kern des Begriffes Provokation ist der Schlüssel zur Antwort. Ich will eine Reaktion. Ich will die Zuschauer berühren. Ich will echte Gefühle zeigen, die wiederum Gefühle in den Zuschauern wecken. Kein Las-Vegas-Lächeln, keine billigen Gags und falsche Sentimentalität. All das hat auch seine Berechtigung auf der Bühne, aber es ist nicht mein persönliches Ziel. Ich liebe die Zauberkunst aber noch mehr liebe ich die Menschen, die mir zuschauen. Denn das Publikum ist keine homogene Masse. Jede einzelne Person hat seine eigene Geschichte... Doch das würde jetzt zu weit führen. Und in diesem Sinne lasse ich Sie jetzt mit Ihren Gefühlen alleine und verabschiede mich bis zum nächsten Mal.

(erschienen in magischeWelt Nr. 5/2009, leicht gekürzt und ohne Fußnoten hier wiedergegeben)