Sonntag, 13. März 2011

Vom Zauber des Fernsehens

"...und dann wählen sie einen uneingeweihten Zuschauer aus."


Aus aktuellem Anlass heute ein Artikel aus dem Jahre 2009.





Der Herbst 2009 war voll von zauberhaften Momenten im Fernsehen. Zauberhaft? Das wird nicht jeder so sehen, denn wie so oft bei diesen Fernsehereignissen wurden unsere TV-Kollegen nicht nur von der allgemeinen Presse, sondern auch innerhalb der Zauberszene teils heftig kritisiert. Jetzt könnte man vorbringen, dass hier auch manchmal etwas Neid mitspielt. So etwas soll ja gerade in unseren Reihen nichts seltenes sein. Doch auch wenn sich eine vor Neid wild gewordene Meute Zauberkünstler medial gut aufbereiten lassen würde, kam es noch nicht dazu. Also kann es vielleicht doch an der Qualität des TV-Formates liegen? Durchaus möglich, wobei man es sich mit dieser Erklärung zu einfach macht. Doch betrachten wir das gleich anhand zweier Beispiele.

Im September und Oktober wurde das österreichische Publikum mit MANUEL HORETH – DER MENTALIST konfrontiert. Doch schon beim Konzept der Sendung stellt sich die Frage, ob die Zauberkunst, oder hier im speziellen die Mentalkunst, überhaupt geplant im Mittelpunkt stehen sollte. Denn neben den obligaten Stargästen, führte eine junge Moderatorin durch die sechs 45minütigen Sendungen. Traute man Horeth nicht zu, als Persönlichkeit interessant genug zu sein, um die Zuschauer 45 Minuten lang vor dem TV-Gerät zu halten? Oder liegt es doch eher an der kühlen Berechnung des Senders, dass auch die männlichen Zuseher „etwas zum Sehen haben sollten“? Wenn das letztere der Fall ist, dann würden wir nicht nur in alte Zauberzeiten zurückfallen, in denen Assistentinnen oft nur als „Aufputz“ einer Show missbraucht wurden, sondern man könnte es ohne Umschweife als sexistisch einstufen. Harte Worte? Ich finde nicht. Denn wer sich mit einem Massenmedium einlässt, der muss auch damit rechnen heftig kritisiert zu werden. Man ist nicht mehr der „kleine Künstler“ der im Theater nebenan seine persönliche Vision von Zauberkunst zeigt. Vielmehr wird jede Handlung in der Sendung, sogar jeder Satz, den man in einem Interview sagt zum Allgemeingut „für die Leute da draußen“.
Fast zeitgleich zu Horeth konnte man auf Channel 4 THE EVENTS von Derren Brown sehen. Beide zu vergleichen wäre nicht fair. Derren Brown hat über Jahre intensiv an seiner Persönlichkeit gearbeitet und ist ein Entertainer im besten Sinne. Doch auch er dürfte seinen TV-Zenit mit den vergangenen Shows überschritten haben, soweit man den kritischen Beobachtern glauben mag. Er ist in eine Falle getappt, aus der er nur noch schwer herauskommen wird. Was soll ein Mann, der Manager dazu gebracht hat, eine Bank zu überfallen, eine Person dazu gebracht hat, ihren eigenen Tod zu erleben oder Atheisten den Glauben an Gott gegeben hat, noch alles machen? Kann man all diese Ideen noch toppen? Genau das ist zu einem Problem für Brown geworden. Die einzige Möglichkeit war, zurück zu klassischen Themen des Mentalismus zu gehen und dramaturgisch mit dem Medium TV zu spielen. Als Auftakt sagte er live die Lotto-Zahlen vorher. Was schon hunderte Kollegen vor im als Publicity Stunt machten, geriet bei ihm zum großen Medienereignis noch lange bevor überhaupt die Kamera auf ihn gerichtet war. Doch nicht an diesem zumindest vom Thema her „alten“ Kunststück (und damit will ich keinesfalls seine Vorführung herab werten), sondern das Finale dieser vierteiligen Reihe zeigte deutlich die erwähnte Falle. Derren Brown setzte in einem Casino auf eine Zahl, lag eins daneben und verlor daher den kompletten Geldbetrag. Derren hatte aus dramaturgischer Sicht keine andere Möglichkeit, als zu verlieren, zwar nur knapp, aber trotzdem verloren. Hätte er gewonnen, wäre das die Situation gewesen, die alle Zuschauer erwartet haben. Ihm ist keine andere Wahl als ein Misserfolg geblieben. In diesem Fall hat aber nicht die Zauberkunst den Ton angegeben, sondern das Medium Fernsehen hat den Ausgang dieser Derren Brown Staffel diktiert.

Doch welcher Sinn steckt jetzt hinter der kurzen Analyse dieser zwei Künstler? Sie führt mich zu einem allgemeinen Problem von Zauberkunst im TV, das den Produzenten durchaus bekannt ist. Das Problem liegt nämlich nicht ausschließlich an den Künstlern, sondern am Medium selbst. Wie geht man mit einem Medium um, das an sich schon mit Illusionen spielt? Sowohl Derren Brown, als auch Manuel Horeth wurden mit dem Vorwurf, sie arbeiten mit Kameratricks und eingeweihten Zuschauern, konfrontiert. Sobald der Zuschauer zu Hause vor dem Bildschirm nur eine dieser beiden Lösungen vermutet, ist der Zauber zu ende. Da kann das Kunststück noch so durchdacht und mit undurchschaubaren Techniken in Szene gesetzt werden, für die Zuschauer ist die Sache erledigt. Soll man die reine Tricktechnik offenlegen, nur um zu beweisen, dass es kein Kameratrick und keine eingeweihten Zuschauer waren? Immer wieder in der Sendung zu betonen, dass man sich nicht kennt und nichts abgesprochen ist, weckt zusätzlich noch mehr Misstrauen. Vielleicht sollten Consulter diverser Zaubersendungen anstatt sich mit spektakulären Kunststücken, lieber mit diesem Problem auseinandersetzen.
(Kleine Anmerkung am Rande: Es stimmt schon bedenklich und auch traurig, dass gerade jemand, der solche Ausnahmekünstler wie Johnny Thompson, Luke Jermay und Banachek als Berater hat, trotzdem zu einem Großteil nur auf die beiden Methoden „Kameratricks“ und „eingeweihte Helfer“ zurückgreift. Die Rede ist von niemand Geringerem als „Zaubersuperstar“ Criss Angel. Ist das Design einer Sendung also wirklich der ausschlaggebende Grund für seinen Erfolg?)

Mir ist klar, dass es in der Vergangenheit immer wieder herausragende TV-Leistungen von Kollegen gegeben hat. Paul Daniels ist nicht ganz unabhängig durch seine Fernsehauftritte zur Legende geworden, ähnliches gilt für David Copperfield. Die wahre Frage aber ist: Wird sich die Zauberkunst auch in Zukunft im Fernsehen behaupten können? Vielleicht sollte einer unserer TV-Mentalisten einen Blick in die Zukunft wagen. Das wäre in der Tat spannend.

(erschienen in magischeWelt 6/2009)


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