Dienstag, 22. März 2011

CD Review: IAMX - Volatile Times


Die Veröffentlichung eines neuen Albums von IAMX ist immer ein Ereignis, dass gespannt erwartet wird. Eigentlich müsste man auch beim nun schon vierten Longplayer VOLATILE TIMES begeistert sein. Eigentlich, denn es geht nun mal um IAMX und hier liegt die Latte etwas höher als bei vielen anderen Bands. Chris Corner hat mit THE ALTERNATIVE eines der herausragendsten Alben der alternativen Musikszene geschaffen und jeder folgende Output muss sich unweigerlich mit diesem Meisterwerk messen.

Schön verpackt in einem kleinen Hardcover-Buch kommt die CD recht ansprechend daher und bietet mit dem ersten Track "I Salute You Christopher" eine Hommage an den Publizisten und bekennenden Atheisten Christopher Hitchens. Ruhig mit Vocoder-Einsatz und einer getragenen Melodie leitet der Song stimmungsvoll der Album ein.
Im Gegensatz dann dazu gleich anschließend "Music People", eine Abrechnung mit dem Musikbusiness. Noch relativ ruhig beginnend endet es immer schneller werdend und atonal fast schon mit Noise-Anleihen und dürfte sicher auch auf der einen oder anderen Tanzfläche Leute in Ekstase treiben. 
Der Titeltrack "Volatile Times" ist für IAMX ungewöhnlich aggressiv aber auch bezeichnend für das Album. Manchmal beschleicht einen das Gefühl als wäre Chris Corner auf halben Wege stehengeblieben, als würde er nur die bekannten IAMX-Zutaten neu mischen, ein kleines Gewürz zusätzlich hineinstreuen und schon kommt ein neuer Song heraus. Ähnliches dann auch bei "Fire And Whispers", sicher einer der besten Songs auf diesem Album. Textlich autobiographisch ist er musikalisch typisch IAMX. Hier passt einfach alles - sicher einer der zukünftigen Klassiker der Band.
"Dance with me" ist hingegen wieder ruhiger. Eine atmosphärische Ballade, die allerdings etwas experimentell daherkommt und seine Wirkung auf den Hörer nicht verfehlt, vorausgesetzt man hat offene Ohren dafür und lässt sich auch auf die bedrückende Stimmung am Ende ein. Sind das wirklich Bomben, die hier am Ende zu hören sind?
Mit "Bernadette" frönt Chris Corner wieder seinem Faible für Jahrmarktsklänge wie man sie auch schon von "President" gewohnt ist. Doch dieses Mal geht er noch einen Schritt weiter und es ist sogar eine singende Säge zu hören. Sicherlich ungewöhnlich, aber allemal eine interessante Facette von IAMX.
Das Video "Ghosts Of Utopia" löste schon im Vorfeld mit seinen symbolhaften Bildern in Verbindung mit arabischen Schriftzeichen und sogar Hakenkreuzen Diskussionen aus. Genauso geheimnisvoll, fast schon hypnotisch die musikalische Umsetzung. Vor allem im Refrain entwickelt der Song eine orchestrale Dimension. 
"Commanded By Voices" hinterlässt leider trotz des Einsatzes eines (kleinen) Chors einen unbefriedigenden Eindruck. Zwar überzeugt Chris Corner textlich mit einem gewissen Mass an Selbstironie, aber leider bleibt die musikalische Seite dabei etwas vernachlässigt. Zu schleppend und uninspiriert kommt der Song daher.
Mit "Into Asylum" und "Cold Red Light" ist das Album dort angelangt, wo man es sich durchgehend gerne gewünscht hätte. Etwas vertrackt mit dem gewissen Schuss an alternativen Musikgefühl überzeugt gerade das letztgenannte auf allen Ebenen. Hier bemerkt man das wahre Genie von Chris Corner.
"Oh Beautiful Town" beschliesst den Reigen an Höhen und Tiefen des Albums wieder wie es begonnen hat: ruhig, aber diesmal sehr persönlich und mit einer Prise Bombast.

Nach rund 50 Minuten bleibt ein schales Gefühl zurück. Liegt es vielleicht daran, dass Chris Corner fast alles selbst macht? Von der Musik und den Texten, bis zu den Instrumenten und der Produktion, ja sogar das Konzept vom Coverartwork stammt von ihm.
Schlecht ist das Album keineswegs, aber es fehlt der Blick von außen, es fehlen neue Impulse. Und die neuen Impulse, die durchaus vorhanden sind gehören besser herausgearbeitet. 
Und so kann nur nochmals gesagt werden, was am Anfang schon erwähnt wurde: Wäre es nicht IAMX würde man diesem Album wohl beste Noten geben. Aber die Messlatte liegt hoch, sehr hoch.

Sonntag, 13. März 2011

Vom Zauber des Fernsehens

"...und dann wählen sie einen uneingeweihten Zuschauer aus."


Aus aktuellem Anlass heute ein Artikel aus dem Jahre 2009.





Der Herbst 2009 war voll von zauberhaften Momenten im Fernsehen. Zauberhaft? Das wird nicht jeder so sehen, denn wie so oft bei diesen Fernsehereignissen wurden unsere TV-Kollegen nicht nur von der allgemeinen Presse, sondern auch innerhalb der Zauberszene teils heftig kritisiert. Jetzt könnte man vorbringen, dass hier auch manchmal etwas Neid mitspielt. So etwas soll ja gerade in unseren Reihen nichts seltenes sein. Doch auch wenn sich eine vor Neid wild gewordene Meute Zauberkünstler medial gut aufbereiten lassen würde, kam es noch nicht dazu. Also kann es vielleicht doch an der Qualität des TV-Formates liegen? Durchaus möglich, wobei man es sich mit dieser Erklärung zu einfach macht. Doch betrachten wir das gleich anhand zweier Beispiele.

Im September und Oktober wurde das österreichische Publikum mit MANUEL HORETH – DER MENTALIST konfrontiert. Doch schon beim Konzept der Sendung stellt sich die Frage, ob die Zauberkunst, oder hier im speziellen die Mentalkunst, überhaupt geplant im Mittelpunkt stehen sollte. Denn neben den obligaten Stargästen, führte eine junge Moderatorin durch die sechs 45minütigen Sendungen. Traute man Horeth nicht zu, als Persönlichkeit interessant genug zu sein, um die Zuschauer 45 Minuten lang vor dem TV-Gerät zu halten? Oder liegt es doch eher an der kühlen Berechnung des Senders, dass auch die männlichen Zuseher „etwas zum Sehen haben sollten“? Wenn das letztere der Fall ist, dann würden wir nicht nur in alte Zauberzeiten zurückfallen, in denen Assistentinnen oft nur als „Aufputz“ einer Show missbraucht wurden, sondern man könnte es ohne Umschweife als sexistisch einstufen. Harte Worte? Ich finde nicht. Denn wer sich mit einem Massenmedium einlässt, der muss auch damit rechnen heftig kritisiert zu werden. Man ist nicht mehr der „kleine Künstler“ der im Theater nebenan seine persönliche Vision von Zauberkunst zeigt. Vielmehr wird jede Handlung in der Sendung, sogar jeder Satz, den man in einem Interview sagt zum Allgemeingut „für die Leute da draußen“.
Fast zeitgleich zu Horeth konnte man auf Channel 4 THE EVENTS von Derren Brown sehen. Beide zu vergleichen wäre nicht fair. Derren Brown hat über Jahre intensiv an seiner Persönlichkeit gearbeitet und ist ein Entertainer im besten Sinne. Doch auch er dürfte seinen TV-Zenit mit den vergangenen Shows überschritten haben, soweit man den kritischen Beobachtern glauben mag. Er ist in eine Falle getappt, aus der er nur noch schwer herauskommen wird. Was soll ein Mann, der Manager dazu gebracht hat, eine Bank zu überfallen, eine Person dazu gebracht hat, ihren eigenen Tod zu erleben oder Atheisten den Glauben an Gott gegeben hat, noch alles machen? Kann man all diese Ideen noch toppen? Genau das ist zu einem Problem für Brown geworden. Die einzige Möglichkeit war, zurück zu klassischen Themen des Mentalismus zu gehen und dramaturgisch mit dem Medium TV zu spielen. Als Auftakt sagte er live die Lotto-Zahlen vorher. Was schon hunderte Kollegen vor im als Publicity Stunt machten, geriet bei ihm zum großen Medienereignis noch lange bevor überhaupt die Kamera auf ihn gerichtet war. Doch nicht an diesem zumindest vom Thema her „alten“ Kunststück (und damit will ich keinesfalls seine Vorführung herab werten), sondern das Finale dieser vierteiligen Reihe zeigte deutlich die erwähnte Falle. Derren Brown setzte in einem Casino auf eine Zahl, lag eins daneben und verlor daher den kompletten Geldbetrag. Derren hatte aus dramaturgischer Sicht keine andere Möglichkeit, als zu verlieren, zwar nur knapp, aber trotzdem verloren. Hätte er gewonnen, wäre das die Situation gewesen, die alle Zuschauer erwartet haben. Ihm ist keine andere Wahl als ein Misserfolg geblieben. In diesem Fall hat aber nicht die Zauberkunst den Ton angegeben, sondern das Medium Fernsehen hat den Ausgang dieser Derren Brown Staffel diktiert.

Doch welcher Sinn steckt jetzt hinter der kurzen Analyse dieser zwei Künstler? Sie führt mich zu einem allgemeinen Problem von Zauberkunst im TV, das den Produzenten durchaus bekannt ist. Das Problem liegt nämlich nicht ausschließlich an den Künstlern, sondern am Medium selbst. Wie geht man mit einem Medium um, das an sich schon mit Illusionen spielt? Sowohl Derren Brown, als auch Manuel Horeth wurden mit dem Vorwurf, sie arbeiten mit Kameratricks und eingeweihten Zuschauern, konfrontiert. Sobald der Zuschauer zu Hause vor dem Bildschirm nur eine dieser beiden Lösungen vermutet, ist der Zauber zu ende. Da kann das Kunststück noch so durchdacht und mit undurchschaubaren Techniken in Szene gesetzt werden, für die Zuschauer ist die Sache erledigt. Soll man die reine Tricktechnik offenlegen, nur um zu beweisen, dass es kein Kameratrick und keine eingeweihten Zuschauer waren? Immer wieder in der Sendung zu betonen, dass man sich nicht kennt und nichts abgesprochen ist, weckt zusätzlich noch mehr Misstrauen. Vielleicht sollten Consulter diverser Zaubersendungen anstatt sich mit spektakulären Kunststücken, lieber mit diesem Problem auseinandersetzen.
(Kleine Anmerkung am Rande: Es stimmt schon bedenklich und auch traurig, dass gerade jemand, der solche Ausnahmekünstler wie Johnny Thompson, Luke Jermay und Banachek als Berater hat, trotzdem zu einem Großteil nur auf die beiden Methoden „Kameratricks“ und „eingeweihte Helfer“ zurückgreift. Die Rede ist von niemand Geringerem als „Zaubersuperstar“ Criss Angel. Ist das Design einer Sendung also wirklich der ausschlaggebende Grund für seinen Erfolg?)

Mir ist klar, dass es in der Vergangenheit immer wieder herausragende TV-Leistungen von Kollegen gegeben hat. Paul Daniels ist nicht ganz unabhängig durch seine Fernsehauftritte zur Legende geworden, ähnliches gilt für David Copperfield. Die wahre Frage aber ist: Wird sich die Zauberkunst auch in Zukunft im Fernsehen behaupten können? Vielleicht sollte einer unserer TV-Mentalisten einen Blick in die Zukunft wagen. Das wäre in der Tat spannend.

(erschienen in magischeWelt 6/2009)


Donnerstag, 10. März 2011

Konzert Review: IAMX Fire and Whispers Tour 2011




10.3.2011 um 20:15: Der Wiener Gasometer ist noch nicht zu Gänze gefüllt als NOBLESSE OBLIGE die Bühne betreten. Es wird theatralisch und auch ungewöhnlich. Auch wenn das Duo bei einigen Besuchern verständnislose Blicke hervorruft, so wird es vom Publikum herzlich angenommen. Die Mischung aus Electro-Wave Sound mit Ethno-Einflüssen ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack, kann aber gerade durch die exaltierte Performance der Sängerin Valerie Renay überzeugen. Wie eine Voodoo-Priesterin hält sie mit jedem Song kleine Zeremonien auf der Bühne ab. Da überhört man gerne auch mal die eine oder andere Intonations-Schwäche. Immerhin schlägt sie selbst in die Trommeln oder spielt Kastagnetten, während ihr Partner Sebastian Lee Philipp in erster Linie zur Gitarre, aber auch zur Ukulele greift. Diese hypnotische Performance ist nichts für die breite Masse, aber eine Entdeckung wert.


by Nickie McGowan


Um ca. 21:20 stürmt dann endlich Ex-SNEAKER PIMPS Frontman Chris Corner mit seiner dreiköpfigen Band unter viel Jubel die Bühne. Und stürmen ist hier wörtlich gemeint. Wie ein Orkan bringt er die nun gut gefüllte Halle in Bewegung. Kein Fuss bleibt still, eine einzige in Bewgung befindliche Masse entsteht. Und das bleibt auch bis zum Ende so. Wie gewohnt im extravaganten Outfit führt der Sänger durch 90 Minuten geballte Musikpower. Wobei Sänger ist hier nicht die richtige Bezeichnung, denn neben Singen schlägt er selbst auch ins Schlagzeug, spielt Gitarre, Synthesizer und Keyboard. Totale Hingabe an seine Musik könnte man das nennen. Trotzdem vergisst er nie die Nähe zum Publikum und ist in jeder Minute das, was so viele Superstars gerne währen: ein echter Rockstar. Exzentrisch mit fast schon beängstigender Bühnenpräsenz aber musikalisch hochprofessionell, das ist die Kunstfigur IAMX. Trotz aller Exzentrik steht immer die Musik im Mittelpunkt und wird nie außer Acht gelassen.
Natürlich fehlt auch keiner der großen Hits. "President", "Tear Garden", "This will make you love again", "Kiss and Swallow" und viele andere sind kraftvoll in ausladenden, teilweise fast schon epischen Arrangements zu hören. Aber auch neue Songs wie "Fire and Whispers" und "Ghosts of Utopia" werden vorgestellt und vom Publikum heftig bejubelt.
Und so geht auch einmal dieses Konzert viel zu schnell zu Ende und man kann es sicher als eines der Konzerthighlights 2011 betrachten.


Noblesse Oblige Website

IAMX Website